Meet and Greet Teil 3 (Nathayen POV)
„Tatsächlich?" Der junge Mann wirkte angemessen überrascht. Da ich bezweifele, dass er nicht über Krewoods Verschwinden im Bilde war, musste er ein guter Schauspieler sein, was sich in seinem überragenden Pokerface zeigte. Dazu wusste er seine Emotionen offensichtlich zu kontrollieren, denn weder kam sein Herzschlag aus dem Takt noch größere Veränderungen in seinem Geruch lieferten mir größere Hinweise. „Ich habe ihn für einen fähigen Künstler gehalten.“ Er schien kurz nachzudenken oder täuschte es zumindest vor. Wie viel wusste er in Wahrheit? War er deswegen so ruhig, obwohl er allein gegen vier war? Oder hatte er einen anderen Rückhalt, der ihn in Sicherheit wiegte? Es würde zum Vorgehen anderer Stämme passen, Menschen für ihre Zwecke zu missbrauchen. Allerdings fürchtete ich, dass für ihn ein äußerst unerfreuliches Erwachen wartete, denn egal, wie sehr sie vorgaben, mit ihm zusammenzuarbeiten, letztlich war er nur ein Werkzeug für sie. Nun, ich sollte mich wohl glücklich schätzen, dass sich Menschen derart effektiv benutzen ließen.
„Ich kann Ihnen leider keine weiteren Informationen geben. Wenn Mister Krewood die Bilder nicht gemalt hat, wüsste ich nicht, wer es stattdessen getan haben könnte“, fuhr der Mensch fort. Er hielt kurz inne, bevor er ergänzte. „Meine künstlerischen Fähigkeiten beschränken sich auf mittelmäßige Stillleben.“ Diese Behauptung ergänzte er durch ein entschuldigendes Lächeln. Tja, es hätte ihm wohl gefallen, wenn ich ihm das abgekauft hätte, aber diesen Gefallen würde ich ihm nicht erweisen.
„Ein Jammer. Ich hatte auf aussagekräftigere Hilfestellung gehofft.“ So einfach sollte es nicht sein, aber das hieß nicht, dass wir am Ende unserer Optionen angekommen waren. „Dann hast du doch sicherlich nichts dagegen, wenn wir uns diese mittelmäßigen Stillleben genauer ansehen?“ So leicht würde er uns nicht von dieser Spur abbringen. Natürlich war es möglich, dass der Mann keine Ahnung hatte. Aber er wirkte zu informiert für jemanden, der nicht wusste, was vor sich ging. Nicht viele Menschen hätten in dieser kurzen Zeitspanne so viel über uns herausfinden können. Das erhärtete den Verdacht, dass er Informationen von einem der unseren erhielt, auch wenn es andere Optionen nicht völlig ausschloss. Doch welcher Stamm war so närrisch, wichtige Operationen für das Wohlergehen unseres gesamten Volkes zu sabotieren? Bei wem hatte die Gier die Vernunft verdrängt?
„Oh, das passt mit heute eigentlich gar nicht in meinem Terminkalender“, meinte er. Amüsant, dass er sich gab, als hätte er dabei je ein Mitspracherecht besessen.
Mit einem Mal wechselte die Anzeige auf dem großen Bildschirm auf einen Herzschlag mit seinem Bild daneben. Garantiert kein Zufall, er wollte uns damit etwas verdeutlichen.
„Aber ich will mal nicht so sein. Ich begleite euch“, entschied der junge Mann.
Als sich der Mensch erhob, um sein Jackett vom Garderobenhaken zu nehmen, war nicht nur ich wegen seiner geringen Körpergröße überrascht.
„Wo hast du den Rest von dir gelassen?“ Dams Zunge war schneller als jeglicher Gedanke darüber, wie sinnvoll diese Frage sein mochte. Der junge Mann ging jedoch gar nicht erst auf diesen Kommentar ein.
"Ich hoffe, ihr entschuldigt mein Misstrauen, aber in meinem Geschäft kann man nicht vorsichtig genug sein. Sollte mein Herz aufhören zu schlagen oder mein körperlicher Zustand sich signifikant verschlechtern, wird jede Information über euch ins Netz gestellt." Er lächelte süffisant und schien sich seiner Lage sehr sicher zu sein. "Nach euch."
Unter diesen Bedingungen konnten wir nicht riskieren, ihn einfach zu töten oder die Informationen aus ihm heraus zu foltern. Wenn das Wissen über uns weltweit bekannt wurde, gefährdete das alle Operationen. Solange wir nicht genau sagen konnten, was dieser Wicht über uns besaß, mussten wir mit Bedacht vorgehen.
„Zu gütig. Hier entlang.“ Während Lyras und ich die Spitze bildeten, um den Winzling hinauszueskortieren, fungierten Damahir und Juliel als Nachhut. Ich rechnete nicht damit, dass er versuchen würde zu fliehen, nachdem er sich so sicher wähnte. Aber es schadete nie, auf Eventualitäten vorbereitet zu sein.
Als wir die Tür passierten und den Vorraum mit den zerstörten Maschinengewehren betraten, musterte er die Veränderung. „Beeindruckend effizient.“
Oh, ich hätte ihm gern mehr unserer Effizienz demonstriert, aber dummerweise waren mir die Hände gebunden. Vielleicht würde sich die Gelegenheit später ergeben.
Die Aussicht, mit uns gemeinsam in das Fahrzeug zu steigen, schien ihm nicht zu gefallen. Seine Miene verzog sich minimal, einen deutlicheren Hinweis auf ein Unbehagen gab es jedoch nicht.
Sobald wir mit unserem Gast in den Wagen gestiegen waren, ließ ich ihn in die Adresse nennen. Der Verkehr in New York ließ sich die Fahrt zwar ziehen wie Kaugummi, sie selbst blieb jedoch unspektakulär. Obwohl Damahir mit dem Blick an dem Menschen klebte und hoffte, dass er sich endlich in Furcht verlor, zeigte er keinerlei Regung. Das war für jemanden wie Dam besonders enttäuschend. Er hatte noch immer das verspielte Herz eines Kindes, das unterhalten werden wollte.
Mich irritierte es viel mehr, weil die vielen Fragezeichen uns weiter in unseren Handlungsmöglichkeiten einschränkten. Was hatte es mit ihm auf sich? Wieso war er sich seiner Sache so sicher, obwohl er im Wagen mit vier Raubtieren saß? Wer er nur dumm, unterschätzte er uns oder gab es einen legitimen Grund für seine Zuversicht? Ich würde mich gedulden müssen, bis ich wenigstens einige dieser Fragen klären konnte.
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