Ein Bild mit zwei Geschichten Teil 2 (Nathayen POV)
War es das? Hatte jemand versucht, uns eine Mitteilung über dieses Bild zu senden? Doch warum sollte jemand derart auf Umwegen agieren, anstatt den direkten Kontakt zu suchen? Ich wurde nicht schlau daraus und so blieb mir nur, geduldig abzuwarten, bis Dam mich informierte. Die entscheidende SMS kam einige Stunden später, sodass ich keinerlei Zeit verlor und mich geradewegs zu Lyras Büro begab.
Das Hochhaus, in dem sich dieses befand, thronte imposant mehrere Stockwerke über den benachbarten Gebäuden. Ich zückte den Ausweis, um mir an der Sicherheitstür Zugang zu dem großen Gebäudekomplex mitsamt seiner großen, gläsernen Lobby zu verschaffen. Um mich herum waren noch immer zahlreiche Menschen mit Tätigkeiten beschäftigt, doch ich würdigte sie keines Blickes, während ich über den langen, eleganten Teppich stolzierte. Ihretwillen war ich schließlich nicht hierhergekommen.
Mein Weg führte mich direkt zu einem der beiden Aufzüge, wo ich die Taste für die oberste Etage betätigte. Die Türen schwangen auf und gaben sogleich den Blick auf einen großen Raum preis, den Lyras kaum spartanischer hätte einrichten können.
Angesichts des einzelnen Schreibtisches, der hier stand, hätte die Größe des Büros lächerlich wirken können. Doch in Momenten wie diesen konnte es von Vorteil sein, wenn mehrere Personen im Zimmer platzfanden. Die große, gläserner Fensterfront gab den Blick auf die Stadt unter uns frei. In der Ferne konnte man das Weiße Haus erkennen. Es war gewiss kein Zufall, dass Lyras sich für einen direkten Blick darauf entschieden hatte. Wie ich meinen Freund kannte, genoss er diese Aussicht gleich aus mehrerlei Gründen – und ich hätte es ihm gleichgetan, wären wir nicht aus einem dringlicheren Anlass hierhergekommen.
Dam musste vor mir gekommen sein, denn er hatte das Gemälde bereits inmitten der freien Fläche aufgestellt.
Juliel betrat den Raum kurz nach mir und grüßte uns nickend.
„Musstest du tief dafür in die Tasche greifen, Dam?“, erkundigte ich mich, stellte mich neben Lyras und musterte das Gemälde ausführlich, als könnte ich nun ein Detail erfassen, das mir zuvor entgangen war.
„Mehr als mir lieb ist aber nichts, was wir uns nicht leisten können.“ Dam zuckte mit den Schultern, während Juliel uns eine Reihe von Fotos und Notizen reichte, die er innerhalb der letzten Stunden zusammengetragen hatte. Sein Blick wanderte zu dem Gemälde weiter, während ich mir die Aufnahmen betrachtete.
„Das ist also Mr. Krewood. Sieht unspektakulär aus.“ Ein typischer Mensch, dessen Ausdruck fern von jeglicher Tiefe war, in Kleidung gepresst, die ihm für die Kamera ausreichend schmeichelte. Eine Schönheit war er nicht gerade, aber sei’s drum. Dam sollte schließlich nicht mit ihm ausgehen, wir mussten herausfinden, was es mit seinem Werk auf sich hatte.
„Das Einzige, was an diesem Typen verblüfft, ist wie viel Idioten für seine Bilder zahlen wollen. Viele hat er wohl nicht angefertigt, ich habe versucht noch mehr herauszukriegen auf der Feier“, teilte Dam mir mit. Damahir zuckte mit den Schultern. „Aber hilfreich war es nicht. Es gibt kaum Fotos seiner Kunstwerke, aber die von denen ich welche gefunden habe, scheinen nicht so wie dieses hier zu sein.“
Juliel gab ein nachdenkliches Murren von sich und fokussierte erneut auf das Bild vor ihm. Seinen Notizen zu Folge waren noch nicht viele Gemälde von dem Mann in Umlauf. Das reduzierte zumindest die Wahrscheinlichkeit, dass es ein weiteres Exemplar gab, dass prekäre Informationen enthielt.
„Das wirft weitere Fragen auf“, stellte ich seufzend fest. „Ist es eines oder gibt es mehrere von denen wir noch nichts wissen? Wie ist er an diese Informationen gelangt?“ Ich runzelte die Stirn und wandte mich in die Runde „Denkt ihr, jemand will uns damit eine Botschaft senden?“
„Keine Ahnung. Es wäre möglich, aber ich weiß nicht, welche das sein sollte oder warum man diese fragwürdige Methode wählen sollte“, entgegnete Dam.
Juliel brummte zustimmend. Auch er schien keine konkrete Idee zu haben, was man uns damit sagen könnte.
„Wobei“, ergänzte Dam. „Vielleicht will uns jemand damit drohen, unsere Tarnung auffliegen zu lassen?“
„Das würde aber nur funktionieren, wenn auch eine Forderung an uns gerichtet würde. Ich wüsste nicht, das wir eine erhalten hätten“, stellte ich fest.
„Stimmt. Oder jemand will uns unter die Nase reiben, das er genau weiß, wer wir sind?“, spekulierte Dam weiter.
„Möglich, aber auch dann bleibt die Frage nach dem wer und warum ziemlich offen“, wandte ich ein.
Lyras ergriff das Wort. „Letztlich gibt es nur einen Weg, das herauszufinden: Wir müssen die Person selbst fragen.“
Damit brachte er die Situation auf den Punkt. Wir konnten eine Menge an Vermutungen anstellen, aber zu Antworten würden uns Spekulationen und diese Notizen nicht führen.
„Dann kidnappen wir ihn eben“, erklärte Dam. „Das ist die schnellste Lösung, diese Frage zu klären. So schwer bewacht kann er kaum sein.“
Nein – und selbst wenn seine Bewachung gründlicher ausgefallen wäre, war ich zuversichtlich, dass wir einen Weg an seiner Security vorbei gefunden hätten. Wir waren schließlich nicht in der Menschenwelt, um Pläuschchen mit ihnen zu halten. „Gut. Ich kümmere mich darum. Ju, kannst du das Warenhaus vorbereiten? Dam, du kannst den Fahrer spielen.“
„Wieso kann ich ihn nicht kidnappen?“
„Weil ich zuerst gesagt habe, dass ich es mache.“ Ich schnaubte amüsiert, wohl wissend, dass es ihn necken würde. Es war mir nicht wichtig, wer es tat, aber wenn es darum ging, jemanden möglichst unauffällig aufzusammeln, traute ich Dam diese Aufgabe weniger zu. Er konnte zu unüberlegten Spontan-Entscheidungen neigen, die ich in dieser Angelegenheit nicht riskieren wollte.
„Ich vernehme ihn“, teilte Lyras mit. Damit waren die Überlebenschancen des Künstlers signifikant gesunken. Nicht, dass es für mich eine Rolle spielte, solange wir an die Informationen kamen.
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